Home   >   „Hammerschlags- und Leiterrecht“

Nachbarrecht: Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks für Arbeiten an eigenem Haus

(ho) Der Winter hat sich verzogen, die Temperaturen werden milder, es wird Frühling - Zeit, um im Haus Hausputz zu halten und etwa eingetretene Schäden am Gebäude in Stand zu setzen. Manchmal ist das Letztere aber gar nicht so einfach, wenn die in Stand zu setzenden Gebäudeteile vom eigenen Grundstück aus nicht zu erreichen sind. Das ist gerade dann der Fall, wenn an der Grenze gebaut worden ist und deshalb Gebäudeteile nur vom Nachbargrundstück aus zugänglich sind. Das ist ebenso der Fall, wenn im Dachbereich das eigene Dach nur durch das angebaute Nachbarhaus oder von Grundstück des Nachbarn aus über dessen Dachfläche erreicht werden kann.

Die Nachbarrechtsvorschriften der einzelnen Bundesländer helfen dann mit dem so genannten „Hammerschlags- und Leiterrecht“. Das gilt für Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.

In den Bundesländern, in denen keine ausdrücklichen Bestimmungen vorhanden sind - Bayern, Bremen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern - kann die Duldungspflicht zur Aufstellung von Leitergerüsten aus dem Rechtsinstitut des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses abgeleitet werden (Stollenwerk, Schadensersatzansprüche im Nachbarrecht, zfs 1999, S. 133 (134); OLG Hamm, Urt. v. 2.12.1965 - 5 U 132/65, NJW 1966, S. 599 (600) für eine Zeit, in der in Nordrhein-Westfalen noch kein eigenes Landesnachbarrecht existierte).

Aufgrund dieses Rechts darf das Nachbargrundstück in Anspruch genommen werden, um Schäden am eigenen Haus zu reparieren. Insbesondere dürfen Leitern und Gerüste aufgestellt werden, um das eigene Haus an den reparaturbedürftigen Stellen zu erreichen. Selbst Geräte und Materialien dürfen vorübergehend beim Nachbarn gelagert werden, wenn dies zur Ausführung der eigenen Arbeiten unerlässlich ist. Das heißt: Das Recht gilt nur, wenn man sich nicht anders helfen kann, wenn also die Reparatur, Instandhaltung und Instandsetzung tatsächlich anders unmöglich bleibt.

Nur um Geld zu sparen, kann man das Hammerschlags- und Leiterrecht nicht in Anspruch nehmen. Kostenersparnis zählt also nicht. Gibt es einen teureren Weg, um die Arbeiten auszuführen, muss er gewählt werden. Nur völlig unzumutbare Kosten können im Einzelfall den bequemeren und kostengünstigeren Weg über das Hammerschlags- und Leiterrecht, sprich über das Grundstück des Nachbarn, ebnen. Das muss dann besonders geprüft werden.

Es muss sich um Reparaturarbeiten handeln, Verschönerungsmaßnahmen fallen nicht unter das Recht. Auch das Schneiden von Hecken vom Nachbargrundstück aus oder die Gartenpflege von dort aus allgemein scheiden unter Berufung auf das Hammerschlags- und Leiterrecht aus (Schäfer, § 24 NRG NW, Rdnr. 2 m.w.N.; Maldowski, Mit Nachbarn streiten?, S. 89).

Das Recht greift auch nicht von selbst, also nicht automatisch. Es muss geltend gemacht werden, die gewünschten Arbeiten müssen angezeigt und im Rahmen dessen genau beschrieben werden. Das Landesnachbarrecht sieht dies schriftlich vor. Die Anzeige hat in Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und im Saarland mindestens zwei Wochen vorher, in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen mindestens einen Monat, in Berlin und Schleswig-Holstein mindestens zwei Monate vor dem Beginn der beabsichtigten Arbeiten zu erfolgen. Vorzeitige oder nicht angezeigte Arbeiten sind rechtswidrig und begründen Unterlassungsansprüche nach § 1004 BGB.

Anzugeben ist insbesondere:

  • wann die Arbeiten beginnen sollen,
  • wie lange sie dauern und
  • zu welchen Beeinträchtigungen sie führen werden.

Dem Nachbarn muss Zeit und Möglichkeit verbleiben, aufgrund dieser Angaben zu prüfen, ob er die Inanspruchnahme seines Grundstücks tatsächlich dulden muss und ob er zur Hinnahme damit einhergehender Beeinträchtigungen wie zum Beispiel der Aufstellung eines Baugerüsts, dem Befahren seines Grundstücks mit Liefer- und Baufahrzeugen oder einem Bagger, dem Lagern von Baumaterial u. a., verpflichtet ist. Ebenso hat der Nachbar einen Anspruch darauf, dass der reparaturwillige Hauseigentümer seine Arbeiten verschiebt, wenn der angepeilte Zeitraum ungünstig erscheint.

Vor allem:
Kommt es zu Schäden auf dem Nachbargrundstück durch oder im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme, haftet der bauausführende Hauseigentümer auf Schadensersatz. Es ist schon eine Selbstverständlichkeit festzustellen, dass der bauende Hauseigentümer verpflichtet ist, so schonend wie möglich vorzugehen, um den Nachbarn von eigenen Schäden freizuhalten und um dessen Beeinträchtigungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Dazu gehört auch, dass angezeigte und akzeptierte Zeitpläne eingehalten werden. Sonst könnten sich weitere Schadensersatzansprüche des Nachbarn gegeben, so zum Beispiel dann, wenn der Nachbar Mietminderungen seiner Mieter aufgrund langandauernder Bauarbeiten hinnehmen muss.

Nochmals zur Anzeige: "Aussitzen" kann der Nachbar, dessen Grundstück zur Erledigung der Arbeiten notwendig in Anspruch genommen werden muss, die Sache nicht. Denn wenn er sich auf eine ordnungsgemäße Anzeige hin nicht äußert, dann darf der Berechtigte das Nachbargrundstück ohne weiteres für die Durchführung der Arbeiten betreten und nutzen (so ausdrücklich: BGH, Urteil vom 14.12.2012 - V ZR 49/12, zitiert nach juris - Rn. 15 der Entscheidungsgründe). Vorausetzung ist denknotwendig, dass der Nachbar die Anzeige überhaupt erhalten hat, dass er sie also kennt. Der Anzeigepflichtige, also der bauwillige Hauseigentümer, ist für den Zugang seiner schriftlichen Anzeige beweispflichtig.

Verweigert sich der Nachbar dagegen, so muss der bauwillige Hauseigentümer auf Duldung klagen und darf das Nachbargrundstück erst aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung in Anspruch nehmen (so ausdrücklich BGH, Urteil vom 14.12.2012 - V ZR 49/12, zitiert nach juris, Rn. 15 der Entscheidungsgründe mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Dies ist in Niedersachsen ausdrücklich vorgeschrieben (§ 42 Abs. 2 NRG Nds). Er darf sein Recht nicht im Wege der Selbsthilfe durchsetzen, außer in dem Fall eines Notstands (904 BGB). Dieser Fall wäre etwa bei Bränden oder bei Überschwemmungen anzunehmen. Dann darf der Hauseigentümer auch ohne Ankündigung das Nachbargrundstück in Anspruch nehmen, um Schäden am eigenen Haus zu verhindern.

© Dr. Hans Reinold Horst

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