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Erbrecht: Enttäuschte Erberwartung korrigierbar?

(ho) "Und erstens kommt es anders, als man zweitens denkt." Das musste auch Ehefrau E erfahren, die gemeinsam mit ihrem Ehemann M testamentarisch von der Erbtante T zu deren Erben eingesetzt wurde. Um dieses günstige Klima zu erhalten, besuchte sie die Tante, hielt mit ihr Kaffeeklatsch, backte ihr Käsekuchen zum Geburtstag, lud sie zu Weihnachten ein und begleitete sie bei Besorgungen und Arztterminen. Trotzdem kam alles anders - man bekam Streit und die Tante zerriss das Testament. Flugs klagte E vor dem Arbeitsgericht 7000 € wegen enttäuschter Erberwartung ein. Wieso denn vor dem Arbeitsgericht, werden Sie sich fragen. Nun, E nahm mit den erwähnten Aktivitäten vergütungspflichtige Tätigkeiten im Rahmen eines konkludent zustande gekommenen Arbeitsverhältnisses mit T an. Die aufgewendeten Stunden für die genannten Tätigkeiten und Zuwendungen berechnete sie mit einem Stundensatz von 20 €. Ganz schön clever, werden sie vermutlich denken. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht schmierten die Klage allerdings ab.

Mit Urteil vom 6. August 2015 - 5 Sa 123/15, veröffentlicht in NJW-Spezial 2015, S. 744, schrieb das LAG der klagenden E deutlich ins Stammbuch, vergütungspflichtige Dienstleistungen im Sinne von § 612 BGB seien mit den genannten Tätigkeiten nicht vorgetragen worden. Vielmehr seien die Tätigkeiten aus sozialer Motivation im innerfamiliären Bereich durchgeführt worden, auch wenn zuvor Gespräche über die Erbeinsetzung in Zusammenhang mit den erbrachten Hilfeleistungen geführt worden seien.
Auch ein Vergütungsanspruch aus § 612 Abs. 1 BGB analog in Verbindung mit der Rechtsfigur der fehlgeschlagenen Vergütungserwartung scheide aus. Sie sei nur in Fällen diskutabel, in denen jemand Arbeiten erbringe, ohne dass diese während des bestehenden Arbeitsverhältnisses überhaupt oder aber nur deutlich unzureichend vergütet würden. Hinzu kommen müsse, dass die Arbeiten in der Erwartung künftiger Zuwendungen zum Beispiel durch eine Erbeinsetzung geleistet worden seien. Insgesamt müsse ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der unterbliebenen Vergütung, der Vergütungserwartung sowie der später unterlassenen Zuwendung bestehen (mit weiteren Nachweisen). Das Backen des Käsekuchens sowie die sonstigen Gespräche seien aber keine Tätigkeiten, für die eine Vergütung erwartet werden könne, ebenso wenig eine ausgesprochene Einladung zu Weihnachten. Insgesamt seien die genannten Tätigkeiten nach moralischen und sittlichen Gesichtspunkten weder entlohnungs- noch vergütungspflichtig.

Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag kämen ebenfalls nicht in Betracht. Denn es fehle am Fremdgeschäftsführungswillen der Klägerin. Sie sei aufgrund der Erberwartung lediglich im eigenen Interesse tätig geworden.
Schließlich sei auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 BGB) zu versagen.

Nicht geprüft hat das LAG Ersatzansprüche wegen Zweckverfehlung der erbrachten Leistungen (§ 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Variante BGB), deren Voraussetzungen allerdings sehr streng sind (dazu BGH, Urteil vom 22.3.2013 – V ZR 28/12, NJW 2013, S. 2025).

Die Entscheidung zeigt, dass Erberwartungen im Falle ihrer Enttäuschung rechtlich nicht geschützt sind. Klare schriftliche Vereinbarungen mit dem Inhalt, die Leistungen würden nur wegen einer erfolgten oder zugesagten Erbeneinsetzung erbracht, bleiben deshalb notwendig. In der Praxis zeigen sie sich wohl aber eher selten. Ganz so „offen“ will man sich dem späteren Erblasser dann doch nicht zeigen: man könnte schließlich als „gierig“ missverstanden werden.

© Dr. Hans Reinold Horst

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